Fracht- und Personenverkehr auf der Pader

Handel & Verkehr & Dienstleistungen

Für die Bergfahrt auf der Pader bedurfte es geeigneter Schleppfahrzeuge, die mit einem (klappbaren) Treidelmast ausgerüstet werden konnten. Um den Seilzug des Schiffes gegen die oft starke Strömung durchführen zu können, mussten die uferseitigen Treidelpfade für Mensch und Zugtier stets vom Bewuchs freigehalten werden.[1] Das Fällen von Bäumen und Sträuchern dürfte daher ebenso zeit- und kostenintensiv gewesen sein wie die Instandhaltung von Ufer- und Wegebefestigungen; alles Arbeiten, die sich bisher archivalisch kaum fassen lassen.

Die Personenschifffahrt auf der Pader ist hingegen in einem frühen Beispiel dokumentiert. Im Tagebuch des Kasper v. Fürstenberg (*1545 +1619), Bruder des regierenden Bischofs Dietrich, ist für den April 1589 eine mutmaßliche Treidelfahrt von Neuhaus nach Paderborn festgehalten: Der Fürst fuhr mit einer Schar gut gelaunter Gäste „in dem neuwen schif die pader hinuf gen Paderborn und widder heraber“.[2] Ob das Wasserfahrzeug dabei seinen Weg über die Neuhäuser Mühlenpader in den Altarm der Pader genommen hat, ist nur zu vermuten.

Mit Errichtung der Alten Wasserkunst (1596/97) und dem Stauwerk der Neuhäuser Walkmühle dürften Wasserbauten entstanden sein, welche die durchgehende Nutzung der Pader als Transportweg erschwerten. Ob für die bischöflichen Schlossbauten in Neuhaus schwere und sperrige Baustoffe talabwärts über die Pader herangeführt werden konnten, lässt sich ebenfalls nur mutmaßen. Problematisch erscheint auch das Unterfahren mehrerer massiver Steinbrücken, deren Durchlässe eine ausreichende Höhe hätten aufweisen müssen.[3] In Conrad Schlauns Ansicht von Neuhaus (1719) wird die Passage einer Lippebrücke durch die Einzeichnung eines kleinen bemannten Frachtkahns angedeutet: Dessen Schiffer stakt sein am Bug abgeflachtes Fahrzeug vom Heck aus vor die alte, vierbogige Steinbrücke. Dieser Bau enthält zur Schlossseite hin ein hölzernes Zugbrückensegment, welches die Durchfahrt eines Treidelkahns theoretisch ermöglicht hätte.[4] Weitere Bildquellen bestätigen nach Gregor G. Santel die Annahme, dass sich schon im 16. Jahrhundert gleich unterhalb des Zusammenflusses von Pader und Lippe ein kleiner Brückenhafen befunden hat. Dessen Nutzung als lokaler Warenumschlagsplatz für die obere Lippeschifffahrt lässt sich mit Unterbrechungen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts nachweisen.[5] Ob mit den barocken Neubauten von Lippebrücke und Wasserkunst (1752) auch der alte Brückenhafen flussaufwärts gewandert ist, bleibt erneut zu vermuten.

Ausschnitt: bemannter Kahn auf der Kleinen Lippe an der alten Schloßbrücke, 1719 (Ortsansicht Neuhaus, Federzeichnung auf Pergament von J. C. Schlaun, Residenzmuseum Schloss Neuhaus, Foto M. Ströhmer 2019)
Ausschnitt: bemannter Kahn auf der Kleinen Lippe an der alten Schloßbrücke, 1719 (Ortsansicht Neuhaus, Federzeichnung auf Pergament von J. C. Schlaun, Residenzmuseum Schloss Neuhaus, Foto M. Ströhmer 2019)

Die neuzeitliche Anbindung von Neuhaus an die Lippeschifffahrt, die der preußische Staat in den 1830er Jahren vorangetrieben hatte, tangierte indirekt auch die Pader als deren Wasserlieferanten. Nach älteren Plänen des Oberpräsidenten Ludwig v. Vincke (1817) sollte die wasserreiche Pader dafür sorgen, dass der jüngst erschlossene Oberlauf der Lippe für Lastkähne und Flöße ausreichend Wasser führte.[6] Eine entsprechende Anfrage der Mindener Bezirksregierung vom Juli 1832, ob es dem Neuhäuser Müller Heinrich Bodenstab als Pächter der Königlichen Mahlmühle zu gestatten sei, die Mühlenpader mit neuen Einbauten weiter zu verengen, versah der Oberpräsident mit einer Auflage: der Zufluss von Paderwasser in die obere Lippe müsse Tag wie Nacht garantiert sein. Deshalb sei es dem Kornmüller strengstens untersagt, Paderwasser außerhalb des Mahlbetriebes unnötig aufzustauen. Bodenstab habe hierzu die vom Staat gesetzte Staumarke, welche an einem Merkpfahl oberhalb der Paderbrücke angebracht war, peinlich zu beachten:

„Auch müsse der p. Bodenstab behufs der Holzflößerei, das bei der Domainen=Mühle [Roggenmühle] befindliche Freigerinne, jetzt aus 2 Oeffnungen von resp. 3, 8 Fuß [ca. 1,10 m] und 4, 6 Fuß [ca. 1,35 m] lichter Weite bestehend […] zu einem Durchlaß von wenigstens 6 Fuß [ca. 1,80 m] lichte Weite“ umbauen.[7]

Nach der Fertigstellung der letzten Lippeschleuse bei Lippstadt (1830) waren vom Staat alle baulichen Voraussetzungen geschaffen worden, um den Wasserweg über Boke bis nach Neuhaus auszudehnen.[8] So machte am 7. Juni 1831 das erste Treidelschiff der Firma Baumann & Co. aus Dorsten vor der Neuhäuser Lippebrücke fest. Der von Pferden gegen die Strömung gezogene Lastkahn hatte eine Länge von rund 24 Metern, dem in den nächsten Tagen vier weitere Schiffe folgten. Im Ort beging man den offiziellen Verkehrsanschluss mit Feierlichkeiten, die durch eine Eröffnungsfahrt von Honoratioren zum naheliegenden Thunehof gekrönt wurde.[9] Doch schon bald zeigten sich beim Befahren der oberen Lippe ähnliche Unwägbarkeiten wie auf der benachbarten Pader: In Anreppen blockierte die zu niedrige Lippebrücke die Talfahrt jener fünf Frachtschiffe, die vor wenigen Tagen in Neuhaus entladenen worden waren. Ein erhöhter Wasserstand des Flusses und die niedrige Durchfahrtshöhe der Brücke sorgten dafür, dass die Lastkähne für mehrere Tage stillliegen mussten – ein wohl nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht ärgerlicher Aufenthalt.

Schloss Neuhaus, Alter „Brückenhafen“ an der barocken Lippebrücke, frühes 20. Jahrhundert (Stadt- und KreisA Pb, Foto W. Lange (Soest), Sammlung Golücke, S-M4D, Nr. 3628)
Schloss Neuhaus, Alter „Brückenhafen“ an der barocken Lippebrücke, frühes 20. Jahrhundert (Stadt- und KreisA Pb, Foto W. Lange (Soest), Sammlung Golücke, S-M4D, Nr. 3628)

Neben architektonischen Hindernissen beeinträchtigte auch das Ökosystem der Pader selbst deren durchgehende Schiffbarmachung. Die Wasserstände konnten in der Mühlenpader besonders an deren Unterlauf vor Neuhaus saisonal stark schwanken. Im Winter und Herbst drohten innerorts Überschwemmungen,[10] im Sommer hingegen Wassertiefstände, welche die Bergfahrt nach Paderborn nahezu unmöglich machten. Hinzu kam das altbekannte Problem der Flussbettverlandung und die hieraus resultierende Erosion der Uferverläufe. Die mangelnde Pflege der Pader, deren Folgen von Anrainern Mitte des 19. Jahrhunderts gegenüber den Behörden als „Verwilderung“ angeprangert wurde, entwertete den Fluss als Wasserstraße vollends. Mit dem Bau des Boker-Heide-Kanals an der Lippe und dem Ausbau des Eisenbahnnetzes verloren Pader und Lippe in der zweiten Jahrhunderthälfte rasch ihre Funktion als überregionale Transportwege. Folglich würdigt das königliche „Polizei=Reglement für die große und kleine Pader“ (1866) den Fluss vor allem als „Vorfluther“ für die Neuhäuser Mühlen. Bestimmungen zur Regulierung des Frachtverkehrs oder zum Unterhalt von Treidelpfaden finden sich hingegen nicht.[11] Passend hierzu legt das staatliche Flussreglement die minimale Durchlasshöhe der Paderbrücken auf gerade einmal zwei Fuß (ca. 0,60 m) fest; eine Öffnungshöhe, die das Treideln von großen Lastkähnen in Richtung Paderborn erschwert haben dürfte.[12] Ein letztes Frachtschiff soll auf der oberen Lippe im Jahr 1876 gesehen worden sein.[13]

Zerstörung der „Nepomukbrücke“ durch das Neuhäuser Hochwasser von 1890 (Foto aus: Gregor G. Santel, „vornehm einfach – eingeschossig massiv“. Zur Baugeschichte des Hauses Scherpel in der Schloßstraße in Schloß Neuhaus, in: Die Residenz 52 (2012), S. 39-57, hier S. 41)
Zerstörung der „Nepomukbrücke“ durch das Neuhäuser Hochwasser von 1890 (Foto aus: Gregor G. Santel, „vornehm einfach – eingeschossig massiv“. Zur Baugeschichte des Hauses Scherpel in der Schloßstraße in Schloß Neuhaus, in: Die Residenz 52 (2012), S. 39-57, hier S. 41)

[1] Vgl. am Beispiel der Lippe-Schifffahrt Bremer, Nutzung des Wasserweges, S. 88 ff.

[2] Zit. n. Santel, Fons padulus, S. 4.

[3] Von Neuhaus kommend waren dies folgende Hindernisse: die beiden innerörtlichen Querungen an der (a) vierbogigen Brücke am „Lipper Tor“, (b) die dreibogige „Nepomukbrücke“ am Paderborner Tor (Alte Wasserkunst) sowie die (c) zweibogige „Steinbrücke“ („pons lapideus“) am Oberlauf der Pader kurz vor dem Paderborner Wassertor.

[4] Vgl. C. Schlauns Neuhäuser Prospekt (1719).

[5] Vgl. u. a. Fotoaufnahme um 1900 von W. Lange, Soest, Sammlung Golücke, StadtA Pb, S – M 4 D, Nr. 3628.

[6] Zur Schiffbarmachung der Lippe im 19. Jahrhundert vgl. Bremer, Nutzung des Wasserweges, S. 24ff. Oberpräsident v. Vincke inspizierte bereits 1830 Neuhaus als potentiellen Endhafen für die Lippeschifffahrt. Am 31. Aug. 1832 legte er persönlich mit einem Schiff von der Lippebrücke ab, um über Boke nach Lippstadt zu fahren. Vgl. Auszüge aus der Ortschronik bei Pavlicic, Michael: Neuhaus und die Lippeschiffahrt im 19. Jahrhundert, in: Die Residenz 92 (1989), S. 11f.

[7] Vgl. Abschrift des Gutachtens der Mindener Regierung an Landrat v. Spiegel zu Paderborn, 2. Mär. 1832. LA Detmold, M 1 I U, Nr. 660, unfol. Ein „Situations Plan von den dem F. Müller gehörigen an der Pader in Neuhaus belegenen Mühlen“ verzeichnet die im Jahr 1855 vorgenommenen Umbauten. StadtA Pb(?), W6/ 66.

[8] Vgl. Müller, Rolf-Dieter: Erstes Frachtschiff nach Schloß Neuhaus getreidelt. Strom- und Uferordnung für die Lippe, in: Die Warte 46 (1985), S. 12.

[9] Vgl. Wurm, Neuhaus, S. 81f.

[10] Im Jahr 1890 rissen die Fluten der angeschwollenen „Wasserkunstpader“ die steinerne „Nepomukbrücke“ fort. Vgl. Santel, Baugeschichte des Hauses Scherpel, S. 41. Zur Geschichte der Statue des Brückenheiligen aus dem Siebenjährigen Krieg vgl. Hansmann, Wolfgang: Die Statue des hl. Johannes Nepomuk an der Paderbrücke, in: Die Residenz 92 (1989), S. 3-9.

[11] Vgl. Abdruck im Amtsblatt, LA Detmold, M 1 III E, Nr. 151, unfol.

[12] „§ 9: Die lichte Weite der Oeffnungen der Brücken und Stege nach Abzug der Stärke der Mittelpfeiler und Joche, muß der vorschriftsmäßigen Breite des Bettes entsprechen und die Bahn mindestens 2 Fuß über dem mittleren Wasserstande liegen, sofern die Schaukommission nicht eine geringere Höhe […] für zulässig erklärt.“ LA Detmold, M 1 III E, Nr. 151, unfol.

[13] Vgl. Müller, Erstes Frachtschiff, S. 12.

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Dies ist ein Auszug aus einem Aufsatz des Historikers Prof. Dr. Michael Ströhmer. Der Originaltitel des Aufsatzes lautet: "Wirtschaftsregion Pader - Eine geschichtswissenschaftliche Skizze (1350-1950)". Sollten Sie weiteres Interesse an der Wirtschaftsgeschichte der Pader haben, empfehlen wir Ihnen den vollständigen Aufsatz (PDF-Datei) herunterzuladen.

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